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Wer kennt die Namen?
Wie im Romanheftbereich traten auch die Autoren der Leihbuchromane häufig ganz hinter ihren Serienhelden zurück, sprich die Bücher erschienen anonym oder unter einem Pseudonym. Allein die Beschäftigung mit diesen Pseudonymen und die Zuordnung zu den "Klarnamen" ist eine Wissenschaft für sich. Im Bereich der Leihbücher und Romanhefte ist es bis heute nur bei einem Bruchteil der verwendeten Pseudonyme gelungen, die bürgerlichen Namen der Autoren herauszufinden. Viele der Decknamen wird man wohl nie entschlüsseln. Die Gründe dafür sind vielfältig und treffen auf die Autoren von Science-Fiction in gleicher Weise zu wie auf die Autoren anderer Genres.
Wie der geneigte Leser schon aus den bisherigen Ausführungen entnehmen konnte, wurden viele Pseudonyme von mehreren Autoren genutzt. Ein Grund hierfür war, dass fast alle Leihbuchverlage für ihre Serien eigene Verlagspseudonyme eingeführt hatten, die eben dem Verlag und nicht dem jeweiligen Autor gehörten. Das Verlagspseudonym wurde zur Marke, es wurde als eine Art Warenzeichen genutzt. Der Effekt war, dass die Verlage von Autoren, die unter verlagseigenen Pseudonymen schrieben, viel weniger abhängig waren. Autoren, die es unter ihrem eigenen Namen oder ihrem eigenen Pseudonym bei den Lesern zu großer Beliebtheit brachten, konnten bei ihren Honorarverhandlungen die Verlage ganz anders unter Druck setzen. Es gab freilich noch weitere Gründe für den Einsatz von Pseudonymen. Eine Reihe von erfolgreichen Autoren wählten häufig dann neue "Decknamen", wenn sie an andere Verlage als die, mit denen sie üblicherweise zusammenarbeiteten, Manuskripte verkauften. Sei es, um die Nebentätigkeit gegenüber ihrem Hauptverlag geheim zu halten, sei es, um diese Arbeiten gegen ihre übrigen Serien abzugrenzen. Daneben verlangten viele Verlage von ihren Autoren, sich genretypische Pseudonyme zu wählen. Für Western galt ein amerikanisch klingender Name als verkaufsfördernd, für Piratenromane sollte er französisch klingen. Als G. F. Unger mit seinen Western zum Bestsellerautor avancierte, versuchten andere mit ähnlich klingenden Namen wie G. F. Barner oder G. F. Waco aus dieser Situation Vorteile zu ziehen.
Es konnte also geschehen, dass besonders vielseitige Autoren, die für mehrere Verlage arbeiteten und zudem Romane verschiedener Genres schrieben, ein halbes Dutzend oder mehr Pseudonyme ansammelten, unter denen sie veröffentlichten. Von PERRY RHODAN-Erfinder K. H. Scheer beispielsweise listet der Romanpreiskatalog die folgenden Pseudonyme auf: Pierre de Chalon, Roger Kersten, Diego el Santo, Klaus Tannert und Alexej Turbojew.
Die Verwendung von Pseudonymen, speziell von Verlagspseudonymen, lässt bereits einige Rückschlüsse auf die Produktionsbedingungen zu, unter denen Leihbuchautoren und Verlage seinerzeit gearbeitet haben. In den meisten Fällen wurden die Autoren mit einem Pauschalhonorar bezahlt. Eine - wie heutzutage im Verlagsgeschäft üblich - prozentuale Beteiligung an den verkauften Exemplaren erhielten die wenigsten. Weigand hat ein durchschnittliches Honorar von 600,-- DM pro Romanmanuskript für die Zeit von 1957 errechnet. Einige wenige Erfolgsautoren konnten bessere Verträge für sich aushandeln. Etwa G. F. Unger, der eine Beteiligung von 1,-- DM pro Band bekam, was für die damalige Zeit ein fürstliches Honorar war (Weigand, a.a.O. S. 83). Die Auflagenhöhe eines Unger-Romans lag in jenen Jahren bei 7000 Exemplaren. Bei einer durchschnittlichen Entleihquote von fünfzig bis sechzig Leihkunden pro Buch, konnte ein Bestsellerautor gut und gerne dreihundert- bis vierhunderttausend Leser erreichen. Wenn heute ein Verlag nur halb so viele Bücher von einem Titel verkauft, landet er bereits in den Bestsellerlisten ziemlich weit oben. Später, gegen Ende der Leihbuchära, sanken die Druckauflagen unter 1000 Exemplare. Man muss bei diesen Zahlen bedenken, dass die Verkaufspreise für ein Leihbuch meistens zwischen 5,80 DM und 6,80 DM lagen, wobei die Büchereien auf diesen Preis je nach Vertriebsweg einen mehr oder weniger hohen Rabatt eingeräumt bekamen.
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