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Versteckspiel - die verbotenen Bücher III
In der Abenteuer-Serie "Rex Yale" (Blitz-Abenteuer, Verlag H. Bethke, Eschwege) erschienen auch eine Reihe von utopisch fantastischen Romanen mit Titeln wie "Der Griff aus dem Nebel", "Höllenfahrtskommando" oder "Insel der Sirenen". Letzterer wurde 1959 indiziert. Über die Autoren der Rex Yale-Romane können nur Vermutungen angestellt werden. Im Romanpreiskatalog findet sich der Hinweis auf Joachim Rennau, einen bereits vor dem Krieg hauptsächlich im Heftromanbereich tätigen Autor. Ob er der Autor der SF-Titel dieser Serie ist, lässt sich nicht sagen. Sicher ist, dass er unter diversen Pseudonymen nach 1945 die ganze Bandbreite an Unterhaltungsliteratur von Western, über Abenteuer bis hin zu Krimi, SF und Sittenroman abgedeckt hat.
Unter dem Sammelpseudonym William Brown (K. W. Brown) erschienen Dutzende von Science-Fiction-Romanen von 1955 bis 1971 beim Bewin-Verlag, Menden.
Auch hinter Jim Grays SF-Thriller "Die weiße Pest" (Bewin, 1955) steckt niemand anderes als Rennau. Seine Romane gelten bei Lesern wie Sammlern als die Abenteuerklassiker der Leihbuchära und sind dementsprechend gesucht. Weigand äußert in seinem Buch die Vermutung, dass Rennau neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit eine Zeit lang auch eine Privatdetektei in Berlin betrieben hat. Zu den anderen Autoren, die ebenfalls unter dem Pseudonym Brown geschrieben haben, später mehr.
Als K. W. Browne schrieb Rennau auch zwei Romane aus der Serie "Die unsichtbare Front" (Bethke und Heros-Verlag). In dieser Reihe, deren Untertitel "Spionage, Sabotage, Verrat" versprach, erschienen ebenfalls etliche utopisch fantastische Titel. Bei den SF-Romanen aus dieser Serie tauchen als Autoren unter anderem die Pseudonyme Ed Morell und Ed Molton auf. Ed Morell identifiziert der Romanpreiskatalog als Erwin Banzhaf, aber es wird vermutet, dass auch Rennau unter diesem Pseudonym geschrieben hat. Allein dieses Versteckspiel könnte die Richtigkeit von Rennaus Beschäftigung als Privatdetektiv bestätigen. Von Ed Molton ist nichts bekannt. Sein Roman "Madame O'Hara" aus der Reihe "Die unsichtbare Front" vervollständigt die Liste der Science-Fiction-Titel, die indiziert wurden. (Ed Molton, "Madame O'Hara" aus der Reihe "Die unsichtbare Front - Spionage, Sabotage, Verrat", erschienen ca. 1957 - 1960 bei H. Bethke, Eschwege/ Kassel, indiziert 1960).
Um das Thema indizierter Leihbücher mit utopisch fantastischem Inhalt abzuschließen, muss noch der Autor Eberhard Seitz erwähnt werden, der unter dem Pseudonym J. E. Wells Dutzende von Science-Fiction-Romanen veröffentlichte. Die meisten dieser Titel erschienen im Gebrüder Zimmermann Verlag, Balve. Dieser Verlag hat mit seinen Verlagsnamen ein ähnliches Durcheinander angerichtet wie manche Autoren mit ihren Pseudonymen. Neben dem Bewin-Verlag, Minden veröffentlichte das Unternehmen aus Balve das größte SF-Programm im Leihbuchbereich. Unter den Verlagsnamen Hönne, Widukind und Balowa erschien ein buntes Sortiment unterschiedlichster Reihen und Autoren.
Von J. E. Wells wurden insgesamt drei Titel indiziert: "Treffpunkt Pitto", "Herrscher über den Tod" (beide 1959 erschienen und 1961 verboten) sowie "Hilfe aus Andromeda", erschienen 1958, verboten 1962.
Gleichwohl darf dieser erste Einblick in die Leihbuch-Szene nicht täuschen. Nur ein Bruchteil der Science-Fiction-Leihbücher bekam Ärger mit der Zensur. Die oben erwähnten Titel dürften aller Wahrscheinlichkeit, sprich der Quellenlage nach, eine vollständige Auflistung sein.
Generell jedoch war die staatliche Zensur durch Indizierung ein großes Problem, mit dem sich die Leihbuchverleger und Autoren seinerzeit auseinander setzen mussten. Fast jeder Verlag war davon betroffen. Rund 760 indizierte Titel listet Weigand auf. Darunter befinden sich alle seinerzeit erschienenen Krimi-Klassiker von Mickey Spillane, aber auch Romane von Heinz G. Konsalik (d. i. Heinz Arno Max Günther) oder zahllose Bände des sehr beliebten Hanns Hart (Sammelpseudonym für Helmut-Hubertus Münch und Hans E. Ködelpeter). Damit ist es der als Leihbuch veröffentlichten Unterhaltungsliteratur nicht anders ergangen als ihren Vorläufern. Staatliche Reglementierung, Repression und Zensur - insbesondere unter dem Vorwand von "Schmutz und Schund"-Kampagnen - war schon immer für die Verleger und Autoren von Abenteuerliteratur oder Kolportageromanen ein mitunter sogar existenzbedrohendes Problem.
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