|
Irrgarten Kosmos
Zurück zu Hans Peschke, der, in Breslau geboren, zunächst als Butler bei einem Grafen arbeitete. 1941 meldete er sich freiwillig zur Luftwaffe. "Später", so sagte er, "habe ich mich außer zum Essenholen nie wieder freiwillig zu etwas gemeldet." [Zitiert nach Alpers, Fuchs, Hahn u. Jeschke (Hrsg.), "Lexikon der Science Fiction Literatur", Band 1, S. 506, München 1980]. Er wurde zum Pazifisten, geriet in Kriegsgefangenschaft und schlug sich nach der Entlassung als Bahnarbeiter und Speisewagenkellner durch. Sein erster SF-Roman erschien "für ein fürstliches Honorar von 400,-- DM" unter dem Titel "Irrgarten Kosmos" im Jahr 1964 bei Bewin.
Das, was heute als Inhaltsangabe in dem Klappentext oder auf dem Backcover eines Buchs steht, findet sich bei den Leihbüchern in der Regel auf einer der ersten Seiten. Zu "Irrgarten Kosmos" heißt es da: "Mit annähernd >Licht< sollen die drei Schiffe Sol I, II und III erstmals interstellar die Erde von ihrem Überbevölkerungsproblem befreien helfen. ... Kurz vor Erreichen des >Alpha Prokyoni< werden sie Zeugen einer Raumschlacht unbekannter Primaten. ... Obwohl der Schutzschirm die Schiffe schützt, werden sie durch den Atomarimpuls in den Hyperraum geschleudert. Jede Zeit wird illusorisch, Uhren stehen still, Wicklungen schmoren durch ..."
Es ist wie schon bei Captain Trawler dieser mitunter naive Charme, der eine Reihe von SF-Romanen der Leihbuchära auch heute noch lesbar macht. Peschke hat mit seinem in den frühen 60ern verwurzelten Debüt eine spannend geschriebene Space Opera verfasst. Wer sich nicht daran stört, dass die geschilderte Technik heute altmodisch Erscheinendes wie Tonbänder und Morsealphabet umfasst, wird die Lektüre dieses Buches auch heute noch genießen.
Nach dem Niedergang der Leihbuchverlage gelang Hans Peschke der erfolgreiche Wechsel zum Heftroman. Hier veröffentlichte er nicht nur als Harvey Patton, sondern auch unter seinem bürgerlichen Namen [Unter Peschkes bürgerlichem Namen erschienen in der Reihe "Utopia Zukunftsroman" die Hefte Nr. 542, "Gefahr von Antares III"; Nr. 563, "Die Diktatur Terras"; Nr. 589, "Duell der Geister"; in der Reihe Zauberkreis SF das Heft Nr. 112, "Jagd auf Star King" sowie eine Reihe von Romanen in der Reihe "Raumschiff Promet"].
Duell der Mutanten
Anders als Peschke gelang Winfried Scholz / W. W. Shols (1925 - 1981), auf den ich zuvor bereits eingegangen bin, der Wechsel zum Romanheft nur mit Einschränkungen. Er gehörte zwar zu den frühen PERRY RHODAN-Autoren, schied aber nach vier Heften bereits wieder aus dem Team aus [Perry Rhodan Heft 6, "Das Mutanten-Korps"; Heft 9, "Hilfe für die Erde"; Heft 23, "Geheimschaltung X"; Heft 31, "Der Kaiser von New York"]. Auf ebenfalls vier Hefte blieb seine Mitarbeit an der Heftserie MARK POWERS (Pabel, 1962 bis 1964) beschränkt. Seine beruflichen Verpflichtungen ließen eine regelmäßige Mitarbeit an Heftserien nicht zu. Im Hauptberuf war Scholz als Kaufmann im grafischen Gewerbe, sprich an der Schnittstelle zwischen Druckindustrie und Werbung tätig. Seine u.a. bei Bewin, Brunnen und Dörner erschienenen SF-Leihbücher erlebten dagegen zahlreiche Nachdrucke in verschiedenen Heftroman-Reihen wie TERRA, UTOPIA, Zauberkreis exklusiv etc. Obwohl die Arbeit als Autor für ihn nur ein Nebenberuf war, schrieb er mehrere Dutzend Science-Fiction-Romane.
Außerdem verfasste er eine Reihe von Krimis für die Serie KOMMISSAR X, die bei Pabel unter dem Pseudonym Bert F. Island erschienen. Bei diesem Namen handelte es sich, wie so oft, um ein Verlagspseudonym, das der bei Pabel zuständige Lektor, Robert F. Atkinson, erfunden hatte, der als britischer Soldat in Deutschland hängen geblieben war [Heinz J. Galle & M. R. Bauer: Sun Koh - Der Erbe von Atlantis und andere deutsche Supermänner, S. 107; Zürich, 2003; SSI-Media].
KOMMISSAR X ist aus zweierlei Hinsicht interessant: Zum einen wurde diese Serie auch für Leihbücher lizenziert, und genau das Gleiche passierte mit einer mindestens ebenso erfolgreichen SF-Serie, nämlich PERRY RHODAN. Zum anderen schrieb ein Altmeister der utopisch fantastischen Literatur ebenfalls für KOMMISSAR X, und zwar Paul A. Müller alias Freder van Holk alias Lok Myler. Hierzu später mehr.
Zu den letzten Leihbuch-SF-Romanen von W. W. Shols zählt der Titel "Duell der Mutanten" von 1967. Mit diesem Roman hatte der Routinier Shols einen packenden Reißer abgeliefert, der zudem den Vorteil besitzt, seine Geschichte nicht bierernst, sondern mit einer Portion Ironie zu erzählen. Geschildert wird der Kampf verschiedener Parteien in einer Welt, deren staatliche Ordnung weitgehend zerfallen ist. Mit Hilfe von Mutanten kämpfen diese zahllosen Gruppierungen um ihre Territorien. Keiner traut dem anderen, denn er könnte ja ein Spitzel der Gegenseite sein, und meistens ist es auch so. "Duell der Mutanten" ist sicherlich kein tief schürfendes Meisterwerk der Science-Fiction, amüsant und unterhaltsam ist dieses Buch allemal. "Heiliges Kanonenrohr! Beim Barte des Klono! Ist das ein Durcheinander!", schrieb der Bewin-Verlag in der Ankündigung dieses Buchs. Dem ist nichts weiter hinzuzufügen.
Auf verbotenem Kurs
Ähnlich wie Shols ist auch W. W. Bröll ein hauptsächlich in der Leihbuchära verwurzelter Autor. Er hat bei Gebrüder Zimmermann (Balowa, Hönne) zahlreiche Romane unterschiedlicher Genres veröffentlicht. Neben Western und Krimis verfasste der 1912 in Gelsenkirchen geborene Wolfgang W. Bröll etliche SF-Titel. Vom gleichen Autor finden sich weitere Romane im Panther Verlag, Menden, sowie im Hallberg Verlag, Hemer, und nicht zuletzt in der Verlagsbuchhandlung Ludwig Liebel, Nürnberg. Eine Reihe seiner Science-Fiction-Romane wurden zwar in den Heftserien UTOPIA und UTOPIA Großband nachgedruckt, doch mit dem Ende der Leihbuchära war auch Brölls Karriere als aktiver SF-Autor vorbei.
Jeffrey Cr. Dwynn gehört ebenfalls zu den Schriftstellern, die im Bereich der SF nur als Leihbuchautoren in Erscheinung getreten sind. Und das nur mit wenigen Titeln bei Bewin und dem Wiesemann-Verlag, Wuppertal, die zwischen 1958 und 1963 erschienen sind. Einige seiner Romane sollen aber erwähnt werden, da schon die Titel für sich sprechen: "Menschen, Mächte und Mutanten"; "Rangers, Roboter und Raketen"; "Gehirne, Geister und Gewalten". Dieses für die 50er Jahre typische Faible für Alliterationen wurde schon damals gerne parodiert. Etwa von Manfred Schmidt, der seinen "Nick Knatterton"-Comics gerne Titel gab wie: "Türen, Tüten und Tresore" oder "Miezen, Macher und Moneten" [Schon in den 20er Jahren waren derartige Titel sehr beliebt, etwa bei Hans Fallada, der seinen Roman über den holsteinischen Bauernaufstand von 1929 und den Anfang vom Ende der Weimarer Republik "Bauern, Bonzen und Bomben" nannte]. Bei J. C. Dwynn ist dagegen zu vermuten, dass für ihn Ironie ein Fremdwort war. Mir liegt nur sein erster Roman, "Die Flucht aus dem All", vor, so dass ich keine Aussage darüber treffen kann, ob sich sein etwas schwülstiger Stil später verbessert hat.
Eine Kostprobe: Irgendwann im Verlauf des Romans trifft der Held auf ein Mädchen. Ihre Figur war natürlich "geschmeidig und gazellenhaft", ihre Augen "sanft und rehbraun", ihr "langes, schwarzes Haar hing lose in leichten Wellen den Rücken hinab, die Schultern wie einen Mantel umhüllend" und selbstverständlich steckten ihre "zierlichen Füße in kleinen und hübschen Sandalen" etc.pp. Während diese Beschreibung den Autor als Verfasser für Liebesromane empfiehlt, wird es in der folgenden Passage widersprüchlich: "Das Lied, das sie halblaut vor sich hin trällerte, war ein wenig schwermütig und melancholisch. Aber das war nun die Eigenart dieses Mädchens, das Hite hieß, denn im Grund war sie ein fröhliches und jederzeit lustiges nettes Geschöpf." Wenige Zeilen später entpuppt sich Dwynn dann als Dichter: "Wo der Berge spitze Gipfel/ in den blauen Himmel ragen,/ Wo der Bäume spitze Wipfel/ lustig sich im Winde flaggen./ Dorthin es mich immer zieht/ in die Einsamkeit der Berge/ aller Hast und Kummer flieht/ wo Natur ist noch am Werke." Mit anderen Worten, ein Roman, der heute nur noch bedingt Freude macht. Das Heyne SF-Lexikon kann zumindest das Pseudonym aufschlüsseln, hinter J. C. Dwynn verbirgt sich Jürgen Densing [Jörg Weigand bestätigt, dass Jürgen Densing, der heute zusammen mit seiner Frau ein Antiquariat in Aschaffenburg betreibt, tatsächlich später zahlreiche Liebesromane verfasst hat.].
Bei James Spencer gelingt noch nicht einmal die Auflösung des Pseudonyms, obwohl unter diesem Namen bei Bewin zwischen 1965 bis 1971 immerhin mehr als 30 SF-Romane veröffentlicht wurden, die teilweise Mitte der 70er Jahre in der Heftserie "Zukunft-Roman" aus dem Neuzeit Verlag nachgedruckt wurden. Wahrscheinlich handelt es sich um ein Verlagspseudonym. Auch auf James Spencers Romane trifft zu, dass Zugeständnisse bei der geschilderten Technik gemacht werden müssen. Darin jedoch kann, wenn ansonsten die Story spannend erzählt wird, ein zusätzlicher Reiz bestehen, der den Leser bei der Lektüre immer wieder schmunzeln lässt.
"Auf verbotenem Kurs" erschien 1968. Schon der Ankündigungstext dieses Romans verspricht Traktorstrahlen und Bordgehirne, kurz das ganze Arsenal von SF-typischer Hightech jener Zeit. Calla, das Raumschiff, verfügt über ein bedeutendes Waffenarsenal, das jedoch elektronisch blockiert wurde. Mit einem "Bürstendietrich" gelingt es einem Schlosser, diese Blockierung zu überwinden. Amüsant ist auch das bordeigene Elektronengehirn: "Der Inspektor machte sich auf den Weg. >Ich hole die Kartei ab.< Als er wiederkam, war er nicht mit Kästen bepackt, sondern trug nur eine große Rolle in der Hand. Auf die fragenden Gesichter gab er gleich die Antwort: >Wenn wir auch keine solchen Elektronengehirne haben wie Sie hier, so benutzen wir doch für Registrierzwecke Magnetbänder. Auf dieser Rolle sind Millionen von Daten gespeichert. Aber ob Ihr Elektronengehirn damit arbeiten ...< Die Antwort kam von dort: >Ein Magnetband, das ist ja wunderbar. Ich habe schon befürchtet, ich müsse arbeiten. Damit ist alles nur ein Kinderspiel.<" Man meint fast, Hal 9000 zu hören.
|