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Für ein paar Groschen ...
Science-Fiction in gewerblichen Leihbüchereien
von Achim Schnurrer

© Achim Schnurrer und Pabel-Moewig Verlag KG., Rastatt
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1. Für ein paar Groschen ...
2. Wenn das Sammeln zum Abenteuer wird
3. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort
4. Heiß begehrt und angefeindet
5. Mein Frieden - die verbotenen Bücher I
6. Eron - die verbotenen Bücher II
7. Versteckspiel - die verbotenen Bücher III
8. Wer kennt die Namen?
9. Auf dem Weg zum Leser
10.Von Brian Aldiss bis Marion Zimmer-Bradley und ...
11.... von Kurt Brand bis Alph Zeno
12.Die Unbesiegbaren
13.Der Friedensdiktator greift ein
14.Irrgarten Kosmos / Duell der Mutanten / Auf verbotenem Kurs
15.Heftroman und Leihbuch
16.Von Sun Koh zu PERRY RHODAN
17.Science-Fiction, als es keine Zukunft gab
18.Vorhang / Dank
... von Kurt Brand bis Alph Zeno

Diese Dominanz korrespondiert mit dem, was man heute über die deutschsprachigen SF-Autoren der 50er und 60er Jahre herausbekommen kann. Mit zwei Worten: herzlich wenig. Ein Schriftsteller wie Kurt Brand, der als PERRY RHODAN-Autor und als Erfinder von "Ren Dhark" noch heute von vielen Fans geschätzt wird, dessen Werk nach wie vor Neuauflagen erfährt, ist von dieser Aussage natürlich nicht betroffen.

Aber was ist mit Bert Andrew, der zwischen 1951 bis 1960 im Feldmann-Verlag, Marl-Hüls insgesamt 27 heute bekannte Leihbücher veröffentlicht hat, von denen die meisten SF-Romane waren? Bei dem Titel "Experiment mit dem Leben" taucht überraschend als Autorenname Bert Andreas auf. Ist das ein Pseudonym oder handelt es sich um den richtigen (Vor-)Namen? Steckt nur ein Autor dahinter? (Laut einer Auskunft von Dr. Jörg Weigand steckt hinter Bert Andrew/ Bert Andreas der Autor Herbert André, vermutlich ein Autor, der schon in der Vorkriegszeit tätig war. Mehr als der richtige Name ist nicht bekannt.) Oder was ist mit dem Autor, der unter dem exotisch klingenden Namen Alph Zeno 1959 im Kölner Luro Verlag vier SF-Romane veröffentlichte? Und wer verbirgt sich hinter dem nicht minder exotischen Pseudonym Enrico Antares, der 1962 im Balowa Verlag den Roman "Mensch oder Roboter" veröffentlichte? Drei Namen von vielen, die Fragen aufwerfen.

Zu Letzterem lässt sich allerdings etwas sagen. Enrico Antares war eines von mehreren Pseudonymen des bereits erwähnten Schriftstellers Eberhard Seitz. Bekannt ist, dass Romane von Seitz auch unter den Namen Henry Sherwood und J. E. Wells publiziert wurden. Mehr als fünfzig SF-Titel veröffentlichte er allein als J. E. Wells zwischen 1955 und 1971 beim Gebrüder Zimmermann Verlag in Balve. Drei davon wurden - wie schon zuvor erwähnt - indiziert. 1959 erschien von ihm "Captain Trawler vermisst", ein unter gewissen Vorbehalten auch heute noch gut lesbarer Roman.

Es lohnt sich, diesen Vorbehalten näher auf den Grund zu gehen. Auf diesen Band trifft zu, was für viele, vielleicht sogar die meisten Science-Fiction-Romane gilt, die schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben. Und es wird die meisten SF-Bücher einholen, die aktuell erscheinen. Kaum eine Literatur-Gattung altert schneller als die utopisch fantastische Literatur. Der amerikanische Science-Fiction-Altmeister Ray Bradbury sagte einmal dazu: "Science-Fiction hat überhaupt nicht das Geringste mit der Zukunft zu tun. Sie handelt nur von heute." (Zitiert nach Bernd Flessner, Hrsg., "Reisen zum Planeten Franconia", S. 199, Neustadt/Aisch, 2001; Verlag PH. C. W. Schmidt) Oder sie handelt - wie man diesen Gedanken fortsetzen müsste - von der Vergangenheit, der Zeit, in der ein Text wie "Captain Trawler vermisst" entstanden ist.

Wenn man sich nämlich damit abfindet, dass in diesem Roman die Kommunikation zwischen den verschiedenen Planeten mittels Briefverkehr durch unbemannte Postraketen stattfindet, die beim Anflug automatisch Morsesignale funken, kann Captain Trawler auch heute noch vergnüglich sein. Besonders dann, wenn man etwas über den Zeitgeist der 50er Jahre erfahren will. Captain Trawler bietet somit ein ähnliches Vergnügen wie Kapitän Nemo, wobei man allerdings konstatieren muss, dass zwischen Seitz und Verne trotzdem Welten liegen.

Weibliche SF-Fans werden sich wahrscheinlich, wenn sie heute die Abenteuer von Captain Trawler lesen, erst einmal hinsetzen und schlucken oder gar das Buch in die Ecke feuern. Das Frauenbild, das Wells/Seitz hier ausbreitet, entspricht eben voll und ganz den Fünfzigern. So ärgert sich der Captain beispielsweise bei seiner Rückkehr nach monatelangem Einsatz, dass ihn sein Weib nicht zu Hause empfängt. Noch während er auf sie wartet, mokiert er sich darüber, dass die Küche nicht aufgeräumt ist. Als sie schließlich eintrifft, entwickelt sich ein seltsamer Dialog, der letztlich eskaliert: "Ich will dir mal was sagen, Cora", unterbricht er sie scharf. "Ehe ich mir deinen Quatsch hier weiter anhöre, tue zunächst mal deine Pflicht als Ehefrau und Hausfrau: Setze mir mal ein ordentliches Abendbrot vor! Du kannst dir wohl vorstellen, dass ich einen verdammten Hunger habe, wenn ich zwei Monate lang nichts als Konserven und Tabletten gegessen habe ..."

Man tut diesem Roman jedoch unrecht, wenn man ihn ausschließlich auf der Grundlage solcher Sachverhalte beurteilt, die ja "nur" ein Ausdruck der damals herrschenden Gesinnung waren. In der "guten" alten Zeit, die sich in Romanen wie diesem niedergeschlagen hat, sah man(n) es als völlig normal an, dass Frauen nur mit der Erlaubnis ihrer Ehemänner arbeiten durften. Erst ab 1958 konnte eine Frau dies selbst entscheiden. Die gesetzlich festgelegte Voraussetzung dazu war jedoch: Die häuslichen Pflichten durften nicht vernachlässigt werden. Und noch 1967 galt ein schlampig geführter Haushalt als Scheidungsgrund. Nimmt man derartige Details, wie die knallroten Postraketen und ihre Morsesignale oder das zitierte Frauenbild, als erhellenden, mitunter erstaunlichen, mitunter ärgerlichen, gelegentlich nostalgisch heiteren Ausdruck der Zeit, in der "Captain Trawler vermisst" entstanden ist, lässt sich dieser Roman auch heute noch gut lesen.

 
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