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Den meisten SF-Fans sind jene dicken Schwarten mit den oft grellbunten Umschlägen bekannt. Die Rede ist von den typischen Leihbüchern, die ab Ende der vierziger bis in die siebziger Jahre hinein weit verbreitet und sehr populär waren. Im Gegensatz zur öffentlichen Bibliothek in städtischer oder kirchlicher Trägerschaft waren die gewerblichen Leihbüchereien kein Ort hehrer Kulturvermittlung und verkrampfter Hochliteratur mit Kunstanspruch. Es handelte sich um Orte, die nur ein Ziel kannten: die breite Bevölkerung mit Unterhaltungsliteratur aller Genres zu versorgen.
Hier fand jeder die Ablenkung vom grauen Alltag und seinen Sorgen, die er bevorzugte. Seien es Liebesromane, Western, Piratenstories oder Science-Fiction. Tatsächlich hatten die dickleibigen Hardcoverbände der gewerblichen Leihbüchereien für die Verbreitung und Entwicklung der SF im Nachkriegsdeutschland eine vergleichbare Bedeutung wie die einschlägigen Romanheftserien TERRA, TERRA SONDERBAND, UTOPIA und UTOPIA GROSSBAND, um nur ein paar zu nennen. Für viele damals junge Autoren waren die Leihbuchverlage ein Sprungbrett, hier konnten sie ihre ersten Romane veröffentlichen. [Etwa Hanns Kneifel, dessen erster Roman, "Uns riefen die Sterne", 1956 im AWA-Verlag, München erschien. Weitere Informationen zu Kneifel: Achim Schnurrer, "Hanns Kneifel, ein Portrait", Phantastisch! Nr. 15, Hitzacker, 2004; Verlag Achim Havemann.]
Andere schrieben - teils unter wechselnden Pseudonymen - viele Jahre für die verschiedensten Leihbuchverlage. Oft arbeiteten sie parallel für den Leihbuch- und den Heftromansektor. Und nicht zuletzt erschienen in den Leihbuchverlagen häufig erstmals Bücher von SF-Autoren aus den USA, England und anderen Ländern in deutscher Übersetzung, die heute zu den Klassikern des Genres zählen.
Diese Artikelreihe versucht, sich dem Phänomen der gewerblichen Leihbüchereien unter besonderer Berücksichtigung der utopisch fantastischen Literatur anzunähern. Es sei direkt vorausgeschickt, dass es - wie es so schön heißt - auf Grund der Quellenlage unmöglich sein wird, einen auch nur annähernd vollständigen Überblick zu liefern. Aber wenn es gelingt, den einen oder anderen Leser zu einer intensiveren eigenen Beschäftigung mit diesem Thema anzuregen, dann hat dieser Beitrag das erreicht, was ich mir davon verspreche. Um das Thema SF im Leihbuch angemessen darstellen zu können, ist es unumgänglich, auch einiges zum Leihbuch allgemein zu erläutern. Denn ebenso wie sich die SF als isoliertes Genre ohne Berücksichtigung ihres literarischen Umfelds nicht richtig erfassen lässt, würde man dem Phänomen Leihbuch nicht gerecht, wenn man seine spezifischen Besonderheiten außen vor ließe.
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